SEITE 17 | DIENSTAG 14. MÄRZ 2023
Neuens Weinwelt bekommt Zuwachs
Der Stuttgarter Winzer Frank Haller ist mit einem
Großteil seiner Reben ins Täle umgezogen. Doch weil
es dort kaum Räume für ein ganzes Weingut gibt, baut
er seine Tropfen weiterhin in der Landeshauptstadt
aus. Nun hat er erstmals einen weißen Neuffener Orts-
wein in die Flasche gebracht.
Johannes Aigner
NEUFFEN. „Das Täle hat weinbautechnisch nur Vorteile“, schwärmt Frank Haller.
Der 53-jährige Winzer wollte schon seit Langem mit seinem Betrieb von Stuttgart
auf die Alb ziehen. Doch Wohnraum ist in der Region bekanntermaßen schwer zu
finden. Von bezahlbaren Bauernhäusern, in denen sich ein ganzes Weingut unter-
bringen lässt, ganz zu schweigen.
Er suchte unter anderem in Beuren und Balzholz, doch wurde nicht fündig. Als er
2019 in Stuttgart in der Nähe seines bisherigen Gebäudes Aussiedlungsfläche fand,
plante er dort zu bauen. Doch der Baubürgermeister der Landeshauptstadt „fegte
das Vorhaben vom Tisch“, sagt er.
Auch wenn der Umzug ins Täle mit dem ganzen Gut bisher nicht geklappt hat, ein
Großteil seiner Rebfläche steht bereits in Neuffen und Beuren. An die ist er sehr
altmodisch gekommen: mit einer Anzeige im Gemeindeblatt.
In einem März vor einigen Jahren hatte
er dort ein Gesuch nach Weinbaufläche
inseriert. „Nicht gerade die Zeit, in der
man noch Weinberge sucht“, sagt Hal-
ler. Denn im Frühling sind bereits viele
wichtige Weichen für den neuen Jahr-
gang gestellt.
Tatsächlich meldete sich jemand auf
seine Anzeige, Haller kaufte ungefähr 45
Ar in Beuren. Schon einige Zeit davor
hatte er sich in die Gegend schockver-
liebt. „Als ich das erste Mal dort war,
wusste ich, dass ich da irgendwann ei-
nen Weinberg haben will. Die Region ist
wie Urlaub“, sagt er.
Das Täle könnte durch den Klimawandel
der „Place to be“ im Weinbau werden
Nachdem er, wie beschrieben, vergeb-
lich nach einer geeigneten Immobilie
gesucht hatte, verkleinerte er seinen
Betrieb. Ein großes Weingut mit etlichen Rebsorten wollte er in Zukunft nicht
mehr. Neben den Flächen in Beuren bewirtschaftete er nur noch einige in Cann-
statt, unter anderem in der renommierten Lage „Zuckerle“.
Doch 2021 meldete sich jemand bei ihm und fragte, ob Haller seine Weinberge
pachten möchte. „Ich hab’ gesagt, eigentlich nicht, aber ich komm’ mal vorbei“,
erzählt Haller und lacht. Er wurde doch schwach und übernahm die 1,3 Hektar in
den Neuffener Weinbergen.
Noch im selben Jahr rückte er erstmals an den Fuß des Hohenneuffens zur Lese aus
und füllte den „Weissburgunder Neuffen“ ab, der jüngst in den Verkauf ging. Etwa
1000 Flaschen gibt es.
„In Neuffen ist es kühler und regnet mehr. Das ist in Zeiten des Klimawandels bei-
des unglaublich wichtig“, sagt Haller. In seinen Cannstatter Lagen habe er vergan-
genes Jahr reichlich mit Wasser nachhelfen müssen, „nur damit die Rebstöcke
überleben, da ging es nicht um den Ertrag“. Im Täle habe er damit nicht zu kämp-
fen gehabt.
Hinzu kommt der einzigartige Boden. Wie sein Kollege Helmut Dolde aus Fricken-
hausen schwärmt auch Haller vom Jurakalk, der in der Region weit verbreitet ist.
Ein deutschlandweites Alleinstellungsmerkmal, sieht man von einigen Parzellen
im Markgräflerland ab.
„Das Verständnis ist dort auch ein ganz anderes“, berichtet Haller. Fahre er in sei-
nen Cannstatter Lagen mit den Arbeitsgeräten umher, müsse er sich teilweise vor
Spaziergängern und Fahrradfahrern rechtfertigen. „In Neuffen ist das anders. Da
weiß man, dass in einem Weinberg auch gearbeitet wird“, sagt er.
Für den Ausbau fährt er die Trauben nach der Lese bis nach Stuttgart. Dort ist er
Kellermeister des städtischen Weinguts, in dessen Räumlichkeiten er auch seine
eigenen Weine ausbaut. Gelernt hat Haller beim berühmten Betrieb Karl Haidle in
Stetten. Der behielt ihn danach als Kellermeister. Doch nach einem Jahr wollte er
sein eigenes Gut aufbauen.
Dass das eine gute Entscheidung war, schmeckt man. Hallers „Weissburgunder
Neuffen“ macht richtig Spaß. Im Gegensatz zu vielen seiner Rebsorten-Kollegen
ist er zurückhaltend in der Frucht, dafür trumpft er mit kräutrigen Aromen auf. Ein
knackiges Säurerückgrat und ein mineralischer Unterton machen ihn frisch und
lebendig. Für einen Wein dieser Preisklasse (circa neun Euro) bringt er außerdem
eine erstaunliche Länge mit.
Am Samstag, 8. April, ist Frank Haller zu Gast bei Vino Vino Bodega in der Nürtin-
ger Altstadt und schenkt seine Weine zum Probieren aus. Eine Anmeldung ist nicht
nötig.